Vom Leben in unserer Wohngemeinschaft – Eine Glosse

über Lula – unsere anorektische Katze

Wäre ihre Hoheit nicht im Grunde ungeheuer großherzig, dürften wir schon lange nicht mehr in ihren Diensten stehen. Zu oft erregen wir ihr Missfallen. Dabei geben wir uns redlich Mühe! Das Essen beispielsweise: Es nützt nichts, dass wir es mit flötenden Tönen und sanft gedämpftem Licht servieren. Es nützt nichts, dass wir drei verschiedene Futtersorten geöffnet haben und mit lockenden Tönen auf die in einigem Abstand hoheitsvoll sitzende Königin einreden. An vielen Tagen beschließt sie schlicht, ätherisch dünn zu werden und das Essen dem niederen Volke zu überlassen.
In solchen Fällen können wir mit vereintem Zureden und summenden Schmeicheleien ihre Neugierde zwar irgendwann wenigstens soweit wecken, dass sie geruht, wie zufällig (damit wir nicht etwa denken, sie ließe sich von uns etwas vorschreiben) in Richtung ihres Fressnäpfchens zu spazieren, doch sieht sie dann lediglich kurz hinein, schnuppert, dreht sich schließlich weg und schabt mit einer Pfote abfällig über den Boden, bevor sie in stolzer Haltung davon läuft. Wir, die mit angehaltenem Atem und erwartungsvoll alles beobachtet haben, sinken dann jeweils in uns zusammen, uns einmal mehr unseres Ungenügens bewusst, und ziehen uns zur Beratung zurück, welche Protokollfehler uns heute wohl unterlaufen sind, welche Mahlzeiten wohl heute genehm gewesen wären...

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